Die Dampf-Straßenbahn von Eltville nach Schlangenbad

(Heinz Söhnlein)

      Veröffentlicht in den Rheingauischen Heimatblättern
                                                 03 / 1977


Mitten in die herrlichen Wälder des Taunusgebirges eingebettet, liegt das heutige hessische Staatsbad Schlangenbad mit seinen Heilquellen und modernen Kureinrichtungen verschiedenster Art. Vor der Jahrhundertwende ein kleiner, verträumter Ort mit etwa 80 bis 90 Häuschen, einigen Pensionen und einem bescheidenen Badehaus.

Schlangenbad liegt bei etwa 310 m Höhe ü. NN, gute 8 km von der nächsten Stadt Eltville (Rhein) entfernt. Zu erreichen war es da­mals nur zu Fuß von Eltville aus oder mit Pferdefuhrwerk. Kein Wunder, daß schon vor der Jahrhundertwende die Bevölkerung von Schlangenbad nach einer Verkehrsverbindung zur nächst­gelegenen Stadt drängte! Erhoffte man sich doch von einem Verkehrsmittel auch eine Belebung des Kurbetriebes und des Aus­flugsverkehres.

Bürgermeister, Landrat und auch die Einwohner der in der Nähe gelegenen kleinen Ortschaften unterstützten diese Bemühungen.

Man nahm Verhandlungen auf mit verschiedenen Bahnbauträgern, so auch mit der „Allgemeinen Deutschen Kleinbahn-Gesellschaft" (ADKG), Verwaltungssitz in Berlin. Das Ziel sollte sein, eine Bahn­verbindung zwischen Schlangenbad und Eltville zu schaffen. Denn Eltville lag (und liegt noch heute) an der Eisenbahnroute, die von Frankfurt aus über Wiesbaden längs des Rheines nach Eltville - Rüdesheim - Lahnstein - Koblenz führt.

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Die Verhandlungen mit dem Bürgermeister der Gemeinde Schlangenbad und der Königlichen Badeverwaltung, den Königlichen Landräten des Untertaunus- und des Rheingaukreises, sowie der Königlich Preußischen und Großherzoglich Hessischen Eisenbahn­direktion zogen sich während des Jahres 1894 hin mit dem Ergebnis, daß sich die ADKG bereit erklärte, den Kleinbahnbau auszu­führen und auch den Betrieb zu übernehmen. Die beantragte Konzession wurde der Gesellschaft mit Wirkung vom 31. Januar 1895 erteilt, und zwar für die Dauer von 50 Jahren. In den vertrag­lich festgesetzten Bedingungen für die Durchführung des Betrie­bes war vorgesehen, daß die Anliegergemeinden dem Unterneh­men bis zum Jahre 1907 eine Garantiesumme zu zahlen hatten. Dieser Garantiebetrag erreichte schon in den zehn ersten Jahren die Summe von rund 25 000 Goldmark.

Die Bahn wurde zunächst als Kleinbahn konzessioniert, später aber dann, am 25. März 1899, rechtlich in eine Straßenbahn um­gewandelt. Der Betrieb wurde aber kleinbahnmäßig durchgeführt mit Dampflokomotiven in Kastenform, also Straßenbahnlokomoti­ven (Tramwaylok), mit Personenwagen geschlossener und offener Bauart sowie Güterwagen. Später wurde dann wieder versucht, die Bahn rechtlich in eine Kleinbahn umzuwandeln. Diese Be­mühungen blieben aber ohne Erfolg. Warum? Die Gründe hierzu wurden nie richtig geklärt. Unter anderem wird eine mangelhafte Betriebsführung angenommen, doch sind dieses Vermutungen. Gleich nach Erhalt der Konzession wurden die Bauarbeiten sei­tens der ADKG begonnen, die flott voran gingen. Auch die An­lieferung des rollenden Materiales, wie Straßenbahn-Lokomotiven seitens der Firma Henschel, Kassel, und der Wagen durch die Firma Herbrand u. Co., Köln-Ehrenfeld, erfolgte fristgemäß, so daß bereits am 20. Juni 1895 der erste Probezug über die Strecke rollen konnte. Offiziell und fahrplanmäßig begann dann der Fahr­betrieb am 1. Juli 1895!

Die Bahn wurde in 1-Meterspur ausgeführt. Sie begann in Eltvilie auf dem Bahnhofsvorplatz neben dem Staatsbahnhofsgebäude mit einer zweigleisigen Ausweiche. Hier wurden die Kleinbahnzüge bereitgestellt, welche im Anschluß an die Hauptbahnzüge von und nach Wiesbaden, beziehungsweise in Richtung von und nach Rüdesheim - Lahnstein, verkehrten. Werktäglich waren es im Sommerhalbjahr etwa 10 Zugpaare, an Sonn- und Feiertagen 12 bis 15 Zugpaare (Ausflugsverkehr von Wiesbaden aus und dem Rhein­gau). Dabei erfreuten sich die vorhandenen drei seitlich offenen sogenannten Sommerwagen besonderer Beliebtheit! Die Fahrzeiten für die ganze Strecke schwankten zwischen 32 und 40 Minuten. Im Winterhalbjahr verkehrten nur 6 Zugpaare. Zugkreuzungen fanden am Haltepunkt Rauenthal statt. Ein erheblicher Nachteil für die Kleinbahn war es, daß sich die Staatsbahn nicht entschließen konnte, auch die Schnellzüge in Eltville halten zu lassen! - In den Anfangsjahren ruhte der Fahrbetrieb im Winter teilweise bei ungünstiger Witterung, bei Schneefall und Glatteis.

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Der Endbahnhof in Schlangenbad lag am südlichen Ortsrand ungünstig, etwa 1 km weit vom Ortsmittelpunkt entfernt, da, wo heute die Ortstafel steht. Der Bahnhof hatte eine zweigleisige Ausweiche zum Umsetzen der Loks. Durch die ungünstige Lage dieses Bahnhofes wurde der Güterverkehr nicht unerheblich be­einträchtigt. Befördert wurden damals hauptsächlich Baustoffe, Brennmaterialien für die Haushalte und die Hotels in Schlangen­bad und auch für die Ziegelei Racky bei Neudorf.

Die Bahn lebte sehr wesentlich vorn Kurbetrieb des Badeortes Schlangenbad, an Sonn- und Feiertagen zusätzlich vom Ausflugs­verkehr. Wenn die Züge in Schlangenbad ankamen, standen die Hoteldiener mit Handkarren am Bahnhof, um die Gäste mit ihrem Gepäck in Empfang zu nehmen!

Die Streckenlänge der Bahn betrug 7,65 km, die Gleislänge 8,94 km. Das Gleis lag auf der ganzen Länge überwiegend in der Mitte der gepflasterten Ortsstraßen und der geschotterten Chaus­see, beziehungsweise in Seitenlage links oder rechts. Nur 0,8km verliefen auf eigenem Bahnkörper.

Vom Endpunkt am Staatsbahnhof Eltville (90 m ü. NN) führte die Gleisstrecke auf etwa 100 m Länge stark abfallend zu der Unter­führung unter der Staatsbahn, einbiegend in enger Rechtskurve in die Provinzialstraße nach Schlangenbad.

In entgegengesetzter Richtung befand sich im Anschluß an die zweigleisige Ausweiche am Staatsbahnhof Eltville noch ein Ab­zweig zum Staatsbahn-Güterbahnhof, sowie ein Gleisanschluß zu der etwa 100 m entfernt liegenden Malzfabrik. Bei längeren Klein­bahnzügen - ab drei Wagen - mußte dieser Gleisanschluß zum Lok-Umsetzen zur Hilfe genommen werden!

Von dieser Stelle aus soll auch noch ein Gleisstrang von 1,19km Länge zu einem kleinen Ladekai am Rheinufer geführt haben. Dieser Anschluß soll aber schon lange vor der endgültigen Be­triebseinstellung stillgelegt und abgebaut worden sein. Absolut Sicheres über diesen Gleisanschluß war leider nicht zu ermitteln. Nun wieder zur Streckenführung in Richtung Schlangenbad: Bei km 0,8 oberhalb der Ortsgrenze Eltville befanden sich die Lok- und Wagenschuppen mit Werkstatt, Magazin, Kohlenbunker und Öllager usw. Heute befindet sich auf diesem ehemaligen Betriebs­hofgelände das Depot der Deutschen Bundespost für die Omni­busse der Linien von Eltville nach Schlangenbad und Kiedrich. Vom Ortsausgang Eltville aus führte die Strecke ständig steigend bis zur Anhöhe vor dem Weinort Neudorf - heute Martinsthal -, um dann wieder etwas abfallend bei km 3,3 durch den genannten Ort zu kommen. Die Ortsdurchfahrt war hier so eng, daß gemäß der Vorschriften „der zugführende Schaffner mit einer roten Fahne und einer Schelle in der Hand" dem Zug voranzugehen hatte! Nächster Haltepunkt an der Strecke war bei km 3,7, genannt Rauenthal. Von hier aus führte in etwa 1,5 km Länge in mehr­fachen Windungen der steile, und damals steinige und enge Fahr- und Fußweg zu dem Weinort Rauenthal empor. Es folgte dann der Haltepunkt Kloster Tiefenthal bei km 5,1 über Klinger-Mühle usw. zur Endstation Schlangenbad (310 m ü. NN) bei km 7,8. Die Bahn hatte von Anfang an stets Sorgen. Man hatte das Ver­kehrsaufkommen doch wohl erheblich überschätzt. Zwar gab es außer den Kurgästen und Ausflüglern auch die Bewohner der um­liegenden Ortschaften, die nach Eltville oder auch weiter nach Wiesbaden oder Mainz zur Arbeit oder zum Einkaufen fuhren. Aber die Transportzahlen reichten nicht aus, um die Bahn auf feste Füße stellen zu können. Jugendliche, Schüler und Pendler brachten angesichts der für diese Gruppen eingeräumten niedri­gen Tarife keine nennenswerten Einnahmen.

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So schleppte sich der Betrieb mühevoll dahin. Bis zum Jahre 1901 arbeitete die Bahn trotz der Garantiezahlungen der Gemeinden mit Verlust. 1902 deckten die Einnahmen erstmals die Ausgaben. Dann gab es dank einer allgemeinen Verkehrszunahme und der weiterhin gezahlten Beiträge der Landkreise und der Gemeinden bis 1907 eine bescheidene Verzinsung von 2% des Anlagekapita­les, welches im Jahre 1895 auf 531 577, - Mark festgesetzt wor­den war.

1905/06 versuchte die Bahngesellschaft nochmals, die als Dampf - Straßenbahn konzessionierte Bahn in die Rechtsform einer Klein­bahn umzuwandeln. Man wies daraufhin, daß im Jahre 1904 über 13% der Einnahmen aus dem Güterverkehr geflossen seien. Der zuständige Regierungspräsident zu Wiesbaden konnte sich nach Prüfung des Komplexes aber nicht zu dieser Veränderung ent­schließen und lehnte das Gesuch ab.

Zwischenzeitlich hatte sich das Verhältnis zwischen den Zuschuß zahlenden Stellen und der Bahnverwaltung ständig verschlechtert. Es gab Anstände bezüglich des pünktlichen Verkehrsablaufes, der Sauberkeit der Fahrzeuge und Stationen, so daß ab dem Jahre 1908 die Garantiezahlungen eingestellt wurden. Die Bahngesell­schaft trat dann an die Anliegergemeinden und die Landräte der Landkreise Untertaunus und Rheingau heran, die Bahn und ihre Anlagen ganz zu übernehmen, oder sich an einer neu zu grün­denden G.m.b.H. zu beteiligen. Aber auch diese Versuche schei­terten.

Quellen-Nachweis:

Archiv der Stadt Eltville (Rhein) (auch die Fotos)
Archiv der Stadt Rüdesheim (Rhein)
Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden
Dipl.-lng. Gerd Wolff, Oldenburg,
Rolf Löttgers, Altena

(Fortsetzung folgt)

Die Dampf-Straßenbahn von Eltville nach Schlangenbad

Teil 2

(Heinz Söhnlein)

Veröffentlicht in den Rheingauischen Heimatblättern
04 / 1977


In den Jahren ab etwa 1900 bis zum Kriegsbeginn 1914 fanden in vielen Städten des damaligen Kaiserreiches die Umwandlung der mit Dampf betriebenen Straßenbahnen in solche mit elektri­schem Antrieb statt. Auch seitens der Bahngesellschaft wurde er­wogen, eine solche Änderung durchzuführen. Es fanden Vorver­handlungen mit namhaften Elektrofirmen wie Siemens und AEG, Berlin, statt. Versprach man sich doch von einer solchen Umstel­lung eine erhebliche Senkung der Betriebskosten und auch eine schnellere Verkehrsbedienung. Daß man seitens der Bahngesell­schaft nicht unerhebliche Hoffnungen auf die Durchführung des geplanten Projektes hegte, geht daraus hervor, daß wegen der Verlegung von 1500 m neuem und stärkerem Rillengleis im Jahre 1907/08 die Schienenstöße vorsorglich schon mit Kupferkabel über­brückt wurden.

Aber auch diese Umstellungsabsichten konnten nicht verwirklicht werden. Die Kosten für die Beschaffung der elektrischen Straßen­bahn-Motorwagen und die erforderliche Oberleitung waren zu hoch!

Ein Antrag an den Preußischen Staat, für diese Umstellung Mitte! aus dem Kleinbahn-Fond zu bewilligen, wurde von der Behörde abgelehnt.

So ging das Interesse der betriebsführenden Gesellschaft an der Bahn immer mehr zurück. Das rollende Material, die Gleisanlagen, Werkstätten und Gebäude wurden nicht mehr ordnungsgemäß unterhalten und gerieten mehr und mehr in einen mangelhaften Zustand. Für die Durchführung des Fahrbetriebes und die not­wendigsten Reparaturarbeiten - besonders an den schadanfälli­gen Lokomotiven - waren in den letzten Jahren nur noch 6 bis 7 Mann im Einsatz!

Auch mehrere Unfälle ereigneten sich, darunter ein schwerer am 19. Mai 1907. Ein zu Tal fahrender Zug mit drei Wagen entgleiste auf der kurvenreichen und abschüssigen Strecke bei Neudorf  - wohl infolge überhöhter Geschwindigkeit. Der Personenwagen Nr. 11 fiel um und es gab fast dreißig Verletzte, zum großen Teil durch Glassplitter!

Zu Beginn des ersten Weltkrieges im August 1914 erfolgten dann Betriebseinschränkungen, welche sich im weiteren Verlaufe des Krieges weiter verschärften und dann zu einer fast völligen Be­triebsstillegung führten. Ab dem 1. Dezember 1922 ruhte dann der Bahnverkehr.

Wie lange diese Betriebsstillegung andauerte, ist aus den nur spärlich vorhandenen Unterlagen leider nicht mehr ersichtlich. Es ist aber kaum anzunehmen, daß die Bahn nach den veränderten Verhältnissen nach dem Kriege 1918/19 (fremde Besatzung, wirt­schaftliche Abschnürung der besetzten Gebiete von Restdeutsch­land usw.) wieder in Gang gesetzt wurde. Hinzu kam die laufende Geldentwertung, die in die Billionen ging und erst im Sommer 1924 mit der Einführung der Rentenmark ihr unrühmliches Ende fand. Fest steht aber, daß die Gemeinde Eitville im Jahre 1927 an den zuständigen Regierungspräsidenten in Wiesbaden mit dem An­trag herantrat, ihr die bestehende Konzession zu übertragen und die Bahn in eigener Regie betreiben zu dürfen. Diesem Ansuchen wurde entsprochen und der Gemeinde Eltville als nunmehriger Eigentümerin und Betriebsunternehmerin am 15. März 1927 die entsprechende Konzession auf die Dauer von 50 Jahren erteilt! Was damals wohl die Gemeindevertreter von Eltville bewogen hatte, eine solche Maßnahme durchzuführen und sich finanziell so zu engagieren, bleibt ungeklärt und ist auch eigentlich unverständ­lich. Man hätte eher annehmen sollen, daß ein solches Ansuchen von Schlangenbad aus gestellt worden wäre!

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Wie dem auch sei: Nach Durchführung der dringendsten Instand­setzungsarbeiten betrieb die Gemeinde Eltville ab dem 3. April 1927 die Bahn in eigener Regie und Verantwortung. Wie schon erwähnt, fand im Jahre 1923/24 die Entwertung der alten Papiermark und die Neuschaffung der Rentenmark, bzw. Reichsmark, statt. Bei der Übernahme der Bahn durch die Gemeinde Eltville wurde eine Umstellung des ehemaligen Anlagekapitals vom Jahre 1895 von 531.577,- Mark auf nur noch 128.950,- Reichs­mark vollzogen. In welcher Weise und zu welchem Betrage die Bahngesellschaft ADKG befriedigt wurde, ist aktenkundig leider nicht mehr feststellbar!

Nach der ersten Freude der Eltviller, nun „Bahnbesitzer" gewor­den zu sein, stellte sich nach kurzer Zeit die Ernüchterung ein. Wohl erholte sich die allgemeine wirtschaftliche Lage in den Jah­ren 1927 bis 1930 recht gut und auch die Bahn hatte - wie berich­tet wurde - ganz erfreuliche Transportzahlen zu verzeichnen, be­sonders auch im Ausflugsverkehr. Aber schon zeichnete sich am Horizont die herannahende Weltwirtschaftskrise ab. Und, das darf nicht übersehen werden, auch das Kraftfahrzeug entwickelte sich mehr und mehr zur Konkurrenz.

So sanken nach den Anfangserfolgen die Einnahmen wieder ste­tig ab. Gelder für eine gründliche Überholung und Modernisierung der Bahnanlagen standen nicht zur Verfügung. Auch wesentliche, laufende Betriebszuschüsse konnte und wollte die Gemeinde Eltville auf die Dauer nicht leisten. So wurde der Betrieb im Frühjahr 1933 eingestellt. Bezüglich des genauen Stillegungs-Datums gibt es zwei verschiedene Angaben. Einmal heißt es am 12. Juni 1933, zum anderen bereits am 18. März 1933. Jedenfalls liegt eine Original-Anzeige der Rheingauer Presse vor, in welcher es heißt:

Bekanntmachungen betr. Straßenbahn Eltville - Schlangenbad.

Aus technischen Gründen wird anstelle des Dampf­bahnbetriebes ab Sonnabend, den 18. März 1933 bis auf Weiteres ein Kraftwagenverkehr eingerichtet. An   den   Fahrzeiten,   Haltestellen   und   Fahrpreisen ändert sich nichts.

Eltville, den 15. März 1933. DER   MAGISTRAT.


Wer den angekündigten Kraftwagenverkehr durchgeführt hat, ist nicht genau zu ermitteln. Vielleicht haben sich damit Anfangs­schwierigkeiten ergeben und die Bahn hat in der Zeit zwischen dem 18. März und dem 12. Juni 1933 doch noch einige Züge ge­fahren!?

Daß das Datum vom 18. März doch wohl das offizielle Datum gewesen sein dürfte, geht wohl auch daraus hervor, daß ein Eltviller Bürger in der örtlichen Zeitung „Rund um Eltville" vom 16. März 1933, Nr. 64, einige besinnlich-lustige Verse veröffentlichte, welche am Schluß der Abhandlung zu finden sind! -

Die Ausstattung der Bahn an rollendem Material war eigentlich von Anfang an recht umfangreich. Daraus ist zu entnehmen, daß sich sowohl die Orte Eltville und Schlangenbad mit Anlieger­gemeinden, als auch der Bahnunternehmer, also die ADKG, doch einiges mehr versprochen hatten!

 

Rollendes Material
Lokomotiven

Hier entschied man sich für das damalige und verbreitete System der sogenannten „Kastenlokomotive", auch Straßenbahn-Lok ge­nannt. Einfache, zweiachsige Maschinen, welche rundherum mit einer kastenförmigen Verkleidung aus starkem Blech versehen waren zum Schütze der Fußgänger, Fuhrwerke usw. Natürlich waren es in der damaligen Zeit Naßdampfmaschinen, mit zwei Antriebszylindern. Die fachtechnische Bezeichnung lautete - und lautet auch heute noch -: B n 2t. Wobei B die zwei Achsen be­deutet, n = Naßdampf heißt, die 2 = die beiden Dampfzylinder markiert und der Buchstabe t = Tender nachweist. Das letztere sagt also aus, daß die Lok keinen besonderen Tender für den Vorrat an Kohlen und Wasser mitführt, sondern die Vorräte selbst mit sich trägt!

In den Jahren 1895 bis 1899 wurden insgesamt fünf Kasten-Loks von der Firma Henschel, Kassel, beschafft. Die Loks Nr. 1, 2 und 3 mit den Fabrik-Nr. 4302, 4303 und 4304 wurden 1895 zur Be­triebseröffnung geliefert. Die Loks 4 und 5 mit den Fabriknum­mern 5118 und 5119 folgten im Jahre 1899.

Glücklicherweise fand sich im Archiv der Stadt Rüdesheim am Rhein noch eine Schnittzeichnung der zuletzt gelieferten Kasten Lok Nr. 5, sowie auch einige Zeichnungen der Güterwagen. Foto­kopien dieser Zeichnungen habe ich der Stadt Eltville für deren Archiv zur Verfügung gestellt!

Zu Beginn des ersten Weltkrieges im August 1914 wurde Lok 4 durch die Heeresverwaltung beschlagnahmt und nach Mainz trans­portiert. Dort wurde sie bei den Mainzer Vorortbahnen der Süd­deutschen Eisenbahn-Gesellschaft (SEG), Sitz Darmstadt, bei den Arbeiten zur Erweiterung und Modernisierung der Außenforts um Mainz (damals Festung!) eingesetzt. Es handelte sich dabei um Transport von Baumaterialien. Nach einigen Monaten erfolgte dann wieder die Rückgabe nach Eltville. Von 1916 bis 1921 lei­stete Lok 4 Dienste bei der Biebertalbahn.

Von Lok 2 wird gesagt, daß sie 1918 vorübergehend zur Hohenlimburger Kleinbahn gekommen sei.

Lok 3 soll an die Central Limburg'sche Steamtram Matschappeij, Holland, verkauft worden sein? Das Jahr ist nicht bekannt.

Lok 5 soll nach Betriebsstillegung der Bahn 1933 an die West­deutschen Sprengstoff werke gegangen sein.

 

 

Personenwagen

Von den Personenwagen sind leider keine zeichnerischen Un­terlagen mehr vorhanden. Es waren deren neun gewesen, mit je einem Abteil 2. und 3. Klasse. Drei davon waren sogenannte offene Sommerwagen. Erbauer der Wagen war die Firma Her­brand u. Co., Köln-Ehrenfeld. Es handelte sich um Vierachser mit zwei Drehgestellen in der damals üblichen Bauweise, mit Later­nendach zur Entlüftung und Plattformen an den beiden Wagen­enden als Ein- und Ausstieg.

Die Fahrgestelle dürften die gleichen gewesen sein, wie die der Güterwagen, also, wie nachstehend vermerkt. Mit welchem Brenn­system die Fahrzeuge ausgerüstet waren, ist leider nicht mehr zu ermitteln gewesen.

Die Innenbeleuchtung der Personenwagen bestand aus Petroleum-Lampen und war natürlich mangelhaft. Die Bahnverwaltung rüstete im Jahre 1909 einen geschlossenen Personenwagen versuchsweise mit Acetylengas-Leuchten aus. Der Beleuchtungseffekt war natürlich erheblich besser. Die technische Aufsichts-behörde verlangte aber aus Sicherheitsgründen einen anderen Aufstellplatz für den Acetylengas-Entwickler. Nach vollzogener Änderung wurde die Einführung dieser neuen Beleuchtung genehmigt. Ob dann noch weitere Personenwagen mit dieser Beleuchtung ausgestattet wurden, ist nicht mehr feststellbar!
                                                                                          

(Fortsetzung folgt)

Die Dampf-Straßenbahn von Eltville nach Schlangenbad

Fortsetzung und Schluß (Heinz Söhnlein)


Güterwagen

Bis zum Jahre 1904 wurde ein teilweiser Verkauf von Güterwagen und dann wieder die gleiche Neubeschaffung vollzogen. Warum?? Ein gedeckter Güterwagen davon ging 1903 an die Nassauische Kleinbahn, Nastätten im Taunus. Er wurde wieder durch ein neues, gleiches Fahrzeug ersetzt. Dann verblieb es bis zur Stillegung wie folgt:

3 offene Vierachser, Nr. 12, 13 und 14. Je Güterwagen zwei Dreh­gestelle, Länge über Puffer 9,58m, ohne Puffer 8,58m. Breite über alles 1,86m. Drehzapfenabstand 4,50m. Achsabstand in den Drehgestellen je 1,00m. Breite der beiden seitlichen Türen 1,50m, Tragfähigkeit 10 t.

2 gedeckte Vierachser, Maße wie vor, Tragfähigkeit 10 t.

1 gedeckter Zweiachser, Länge ohne Puffer 4,55m, Radstand 2,20 m, Türbreite 1,20 m. Weitere Angaben hierzu fehlen.

1 Spezialwagen, näheres unbekannt.

Einnahmen und Ausgaben

Auch hier fehlen manche Zahlen. Es waren nur jene von 1906 bis 1915 zu ermitteln:

 

Im Kriegsjahr 1915 fand eine interne Verschiebung im Bereiche der Betriebsführung der Bahn statt. Die Allgemeine Deutsche Kleinbahn-Gesellschaft übertrug die Betriebsführung ihrer Betriebsführungsgesellschaft. Diese firmierte: „Allgemeine Deutsche Eisenbahnbetriebs-G.m.b.H."

Das Interesse der Allgemeinen Deutschen Kleinbahn-Gesellschaft an der Eltville-Schlangenbader Bahn wurde verständlicherweise immer geringer. Die Gesellschaft wechselte die Betriebsleiter laufend aus. Es kamen solche von den verschiedensten Konzern-Bahnen, wie die Westpreußischen Kleinbahnen, Kleinbahn Aschersleben-Nienhagen und anderen Bahnen kurzfristig nach Eltville. Die Bahnleiter hatten kaum Zeit gehabt, mit dem Personal nähe­ren Kontakt zu bekommen und die speziellen Verhältnisse der Bahn kennenzulernen, da wurden sie schon wieder zu einer anderen Bahn versetzt. Warum? Das konnte nicht ermittelt wer­den.

Nach Übernahme der Bahn durch die Stadt Eltville Anfang April 1927 bis zur Betriebseinstellung im Frühjahr 1933 waren, während dieser immerhin sechs Jahre, die betrieblichen Verhältnisse ge­ordnet.

Daß die Bahn zum Erliegen kommen mußte, ist verständlich. Der Personenkraftwagen und auch der Omnibus traten ihren Sieges­zug an. Schon im Jahre 1910 wurde in Wiesbaden die damalige „Wiesbadener Autoverkehrs-Gesellschaft" gegründet, später „Blaue Kurautobusse". Sie befuhr mit ihren Bussen - zwar noch primitiv mit Klappverdeck und Vollgummireifen ausgerüstet - eine Ausflugslinie von Wiesbaden über Chausseehaus - Georgenborn nach Schlangenbad über Eltville nach Wiesbaden zurück. Nach der Unterbrechung durch den ersten Weltkrieg wurde dieser Omnibusverkehr mit ständig moderneren Fahrzeugen fortgeführt. Aber er kam dann Jahre später auch zum Erliegen, als nach dem zweiten Weltkrieg der Personenkraftwagen Allgemeingut gewor­den war!

 

Rückschau

Die Streckenführung der Bahn war - so kann man sagen - durchaus romantisch. Kaum hatte das Gleis das sympathische Örtchen Eltville verlassen, so erblickte man in der laufenden Steigung rechts und links große, schöne Weinbergsanlagen. Von der Höhe von Neudorf herab grüßt am Bergeshang ein verträum­tes Schlößchen. Die Durchfahrt durch die enge Hauptstraße von Neudorf war immer ein besonderes Ereignis, wenn der Schaffner mit einer roten Fahne und der Warnschelle bewaffnet, strammen Schrittes vor dem Zügle voranmarschierte. "Auf daß Niemandem ein Leid zustoße!"

War dann Neudorf durchfahren, öffnete sich dem Besucher das herrliche Tal von Schlangenbad mit seinen Wiesen und dem klei­nen Bächlein in der Mitte. Jetzt mußte sich die Kastenlok schon anstrengen, denn es ging stets und ständig bergauf. Die Wälder mit ihrem alten Baumbestand traten dichter an die Fahrstrecke heran, vorbei an einigen Mühlen im Tal. Laut erscholl das Echo des Auspuffschlages der kleinen, aber leistungsfähigen Lok von den Anhöhen ins Tal zurück. Dann horchten die Bewohner und Gäste von Schlagenbad auf. Denn das war für sie das untrügliche Zeichen: Jetzt kommt gleich „unser Bähnchen"! Oh ja, sie entbehrte nicht des Reizes und der Gemütlichkeit, so eine Fahrt mit der kleinen Bahn!

Rückschauend auf die Bahn Eltville-Schlangenbad darf man heute nach 80 Jahren doch nicht vergessen, daß sie in den Jahren ihrer Existenz gern gesehen war und der Bevölkerung von Schlangen­bad und den umliegenden Gemeinden wirkliche Erleichterungen und Vorteile brachte. Man denke doch einmal darüber nach, wie beschwerlich es einstens war, z. B. von Schlagenbad aus nach dem 8 km entfernt liegenden Eltville mit seinen Behörden und seinem Staatsbahnhof zu gelangen! Und dann wieder zurück. Ein Fußmarsch von zweimal 2 Stunden! Noch schwieriger war es für die Bewohner der Höhengemeinden, wie Neudorf, Kiedrich, Rauenthal, Hausen v.d.H. und andere mehr! Zu leicht sind heute diese Tatsachen im Zeitalter des Autos, des Telefons, des Rundfunks usw. vergessen. Deshalb sollte man trotz manchem Unerfreu­lichen der ehemaligen Dampf- und Straßenbahn Eltville-Schlan­genbad ein freundliches Gedenken bewahren!

 

                              Kleinbahn's Ende!

                             
Unsre Kleinbahn, ach die Gute,
                              Pfeift bald auf der letzten Tute;
                              Altersschwach wird ihr Gebein, 
                              Und in Kürze geht sie ein!


                              Jahr um Jahr fuhr sie entlang,
                              Mit viel Gestank den Schienenstrang;
                              Sehr zum Ärger vieler Leute,
                              Die sie zu arg mit Qual betreute!


                              Bergwärts fuhr sie mit viel Schnaufen,
                              Talwärts könnt' sie besser laufen,
                              Sauste über Stock und Stein,
                              Einmal brach sie gar ein Bein!


                              Während der Inflatio-Zeiten,
                              Ihr die Ruh' tat Freud' bereiten;
                              Bis ein großer Mann - oh Graus,
                              Holt sie aus dem Stall heraus!

                              Reinigte ihr faul' Gedärme,
                              Brachte untern Kessel Wärme;
                              Jagte sie nach Schlangenbad,"
                              Trotz - sie war noch sehr malad!

                             
                              Tag für Tag ging das so weiter,
                              Ob der Himmel trüb, ob heiter,

                              Schleppte Menschen hin und her,
                              Bis sie sprach: „Ich kann nicht mehr!"


                              Ach, nun kommt das bitt're Ende,
                              Aller Dinge Schicksalswende;
                              Heut' kommt nun die letzte Fahrt,
                              Mit Dampf und Qualm, nach alter Art!


                              Tränen fließen, Tücher schwenken, 
                              Einen letzten Blick sie schenken;
                              Uns'rer „teuren" Eisenbahn,
                              Die brav ihren Dienst getan!

                         hcm

 

 

Auszug aus dem Buch: DE STOOMLOCOMOTIEVEN DER NE-DERLANDSE TRAMWEGEN von Ir. S. Overbosch, Antwerpen, Aus­gabe 1966.

In Kapitel 9 auf Seite 61/62 heißt es unter „De Locomotieven van Henschel" wie folgt:

CLS 7, Henschel, Fabr. Nr. 4304, gebaut 1895, in Betrieb genom­men 1919.

Diese Maschine war wesentlich schwerer als die bisher beschrie­benen Lokomotiven von Henschel. Sie war eine der drei ge­lieferten Stück für die Eisenbahn-Linie Eltville-Schlangenbad von der Allgemeinen Deutschen Kleinbahn-Gesellschaft in Berlin. Die Nummern waren 1 - 3, Fabriknummern 4302 - 4304, diese Serie wurde dann 1899 erweitert auf Nummer 4 und 5, Fabrik­nummern 5118 und 5119. Da diese Linie aus dem Rheintal her die Höhe nach Bad Schlangenbad erklomm, waren solche schwe­ren Maschinen notwendig.

Die CLS kaufte diese Maschine 1919 über Orenstein & Koppel von den Westdeutschen Sprengstoffwerken. Sie erhielt 1921 bei dem Übergang von CLS in die LTM (Limburgse Tramvaartmaatschappij) die Nummer 7. Seit ungefähr 1930 stand die Maschine außer Betrieb auf dem Werksgelände der LTM in Roermond. Sie wurde 1935 auseinandergenommen - in Teile zerlegt - und verschrottet.